© Historisches Museum der Pfalz Speyer
Am 27. Mai 1832 kamen bis zu 30.000 Menschen auf dem Hambacher Schlossberg zusammen, um für ein geeintes Deutschland, politische Grundrechte und ein solidarisch verbundenes Europa einzutreten. Doch warum war gerade in der Pfalz die Unzufriedenheit in jenen Jahren so groß? Wer organisierte das Hambacher Fest? Und was waren die Forderungen der Festredner? Auf dieser Seite, die wir regelmäßig erweitern werden, möchten wir zentrale Fragen zum Hambacher Fest und seinen wichtigsten Köpfen in knapper Form beantworten.
Weil es nach der Niederlage Napoleons zu einer Neuordnung Europas kam, von der auch die Pfalz betroffen war. Nach dem Wiener Kongress (1814/15) einigten sich das Königreich Bayern und das Kaisertum Österreich im April 1816 darauf, dass die Pfalz als „Rheinkreis“ (ab 1837: Rheinpfalz) an Bayern fallen würde. Die Errungenschaften und Reformen aus der Zeit der französischen Besatzung der Pfalz von 1792 bis 1814 sollten als „Rheinische Institutionen“ zwar offiziell erhalten bleiben. Doch faktisch wollte das bayerische Königshaus seit den 1820er Jahren von dieser politischen und verwaltungsmäßigen Sonderstellung des Rheinkreises immer weniger wissen. Eine Politik der Bevormundung und Unterdrückung rief in weiten Teilen der Pfalz große Unzufriedenheit hervor. Diese wurde durch die gezielte wirtschaftliche Benachteiligung des Rheinkreiseses noch vergrößert, der über keine direkte Landverbindung zum rechtsrheinischen bayerischen Kernstaat verfügte.
In einem engen Verhältnis. Vielerorts in Europa wuchs damals der Wunsch, einen eigenen Nationalstaat zu gründen, es herrschte Unzufriedenheit gegenüber den Unterdrückungsmaßnahmen der damaligen Obrigkeit und es regte sich Protest angesichts wirtschaftlicher und sozialer Not. Der revolutionäre Funke ging in der damaligen Situation einmal mehr von Paris aus, wo die Julirevolution 1830 zum Sturz der Bourbonen geführt hat.
Wenig später kam es im Süden der Vereinigten Niederlande zu einer Revolution, aus der das Königreich Belgien hervorging. Und in Polen kam es im November 1830 zu einem Aufstand gegen die russische Herrschaft, der jedoch von der militärischen Übermacht des Zaren niedergeschlagen wurde. Rund 30.000 Polen mussten daraufhin ihr Land verlassen und zogen durch Deutschland nach Frankreich; eine ihrer Routen führte über Neustadt. Diese europäische Gemengelage aus nationalem Aufbegehren, politischem Protest sowie sozialer und wirtschaftlicher Not lässt sich sehr anschaulich am Beispiel des Hambacher Festes nachvollziehen.
Als „Rheinische Institutionen“ bezeichnet man jene fortschrittlichen Errungenschaften der Rechts-, Staats- und Gesellschaftsordnung, die aus der Zeit der Zugehörigkeit der Pfalz zum französischen Staatsgebiet stammen (1797/1801-1814). Zu ihnen zählten u.a. die Gleichheit vor dem Gesetz (und somit die Abschaffung von Vorrechten des Adels), die Gewerbefreiheit und Freizügigkeit, die Bauernbefreiung, die Abschaffung der Erbuntertänigkeit, die Trennung von Justiz und Verwaltung sowie von Kirche und Staat, Geschworenengerichte, die Mündlichkeit und Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren sowie die Freiheit und Sicherheit des Eigentums.
Die Bayerische Verfassung von 1818 hob die Rheinischen Institutionen auf dem Gebiet des Rheinkreises nicht auf, der somit rechtlich wie administrativ eine Sonderausstellung einnahm. Faktisch jedoch wurden einzelne dieser Errungenschaften in den Folgejahren durch die Regierung in München ausgehebelt.
In der linksrheinischen Pfalz waren die Rheinischen Institutionen deshalb so „populär, weil sie ein transparentes, auf staatsbürgerliche Freiheit und Gleichheit basierendes Rechtssystem und gleichzeitig ein liberales Wirtschaftsmodell etablierten.“ (Markus Meyer) Gerade in Abgrenzung zu den „rückständigen“ rechtsrheinischen Gebieten begünstigten die Institutionen die Ausbildung eines pfälzischen Selbstbewusstseins, das sich auch im Bayerischen Landtag niederschlug: Die Mehrzahl der Abgeordneten aus der Pfalz gehörte der liberal-demokratischen Opposition an. Von ihnen ging ein starker Impuls für das Hambacher Fest aus.
Die Unzufriedenheit hatte politische, wirtschaftliche und soziale Ursachen. Politisch provozierte eine zunehmend restaurative und autoritäre bayerische Regierungspolitik den entschiedenen Widerspruch pfälzischer Liberaler. Insbesondere die Versuche, kritische Meinungsäußerungen oder politische Forderungen per Zensur zu unterbinden, verstärkte die Geschlossenheit pfälzischer Oppositioneller, darunter viele Rechtsanwälte und Journalisten. Derlei Unterdrückungsversuche würden in einem geeinten deutschen Nationalstaat auf der Basis einer für alle geltenden Verfassung der Vergangenheit angehören.
Wirtschaftlich bedrohten zu Beginn der 1830er Jahre nicht nur Missernten die Existenz vieler Landwirte und Winzer in der agrarisch geprägten Pfalz. Vor allem die für den Rheinkreis nachteiligen Zollregelungen verringerten die Absatzmöglichkeiten der wichtigsten pfälzischen Exportgüter (Wein und Tabak) in erheblicher Weise.
Sozial war auch die Pfalz vom „Pauperismus“ (das lateinische pauper bedeutet „arm“) betroffen. Das Zusammentreffen von Bevölkerungswachstum und Industrialisierung zog in Teilen des Rheinkreises Verelendung und Massenarmut nach sich. Insbesondere die westpfälzische Tuchindustrie litt unter dem massenhaften Import deutlich günstigerer Produkte aus Großbritannien. Der sogenannte „Holzfrevel“ bzw. „Forstfrevel“, also das illegale Sammeln von Holz und Reisig, war zu Beginn der 1830er Jahre ein Massenphänomen, das staatlicherseits mit tausenden Anklagen verfolgt wurde.
Das Zusammenwirkten politischer, wirtschaftlicher und sozialer Unzufriedenheit trug zur großen Mobilisierung des Hambacher Festes bei.
Die wichtigste organisatorische Keimzelle des Hambacher Festes war der „Deutsche Vaterlandsverein zur Unterstützung der Freien Presse“, der zwei zentrale politische Ziele bereits in seinem Namen trägt: nationale Einheit und Pressefreiheit. Gegründet wurde dieser „Pressverein“ am 29. Januar 1832 in Zweibrücken-Bubenhausen. Anlass war ein Fest zu Ehren des Pfälzers Friedrich Schüler, der als Kopf der liberalen Opposition im bayerischen Landtag Erfolge u.a. im Kampf gegen die bayerische Zensurpolitik errungen hatte. Bei diesem „Schüler-Fest“ fiel der Beschluss, mit einem eigenen Verein das Erscheinen oppositioneller Schriften bzw. von Strafen betroffene Redakteure und Journalisten finanziell zu unterstützen. Die Köpfe dieses „Pressvereins“ waren von Hause aus Juristen und sie fühlten sich dem Schutz der „Rheinischen Institutionen“, insbesondere der Pressefreiheit verpflichtet. Neben Friedrich Schüler waren dies die Journalisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth sowie Ferdinand Geib und Joseph Savoye. Unter den bald schon rund 5.000 Mitgliedern des Pressvereins innerhalb des Deutschen Bundes waren auch viele Neustadter.
Siebenpfeiffer war es nun, der ein ursprünglich für den 26. Mai 1832 als Huldigungsfeier für die bayerische Verfassung angedachtes Fest auf dem Hambacher Schlossberg kurzerhand umwidmete: In einem vielfach verbreiteten Aufruf unter dem Titel „Der Deutschen Mai“ lud er für den 27. Mai ein zu einem „Fest der Hoffnung“, das „dem Kampfe für Abschüttelung innerer und äußerer Gewalt, für Erstrebung gesetzlicher Freiheit und deutscher Nationalwürde“ dienen sollte.
Unterzeichnet war dieser Aufruf von 32 Neustadter Bürgern, die sich fortan an der Organisation und Durchführung des Festes beteiligten, darunter Johann Philipp Abresch, Friedrich Deidesheimer, der Arzt Johann Adam Philipp Hepp sowie Johann Jakob Schoppmann.
Der Versuch der bayerischen Regierung, jenes Fest durch ein Verbot zu unterbinden, scheiterte am publizistischen Aufschrei der liberaldemokratischen Opposition. Ungewollt trug dieser Interventionsversuch aus München zu einer weiteren Mobilisierung aller mit der politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lage Unzufriedenen bei.
Die Bildung eines geeinten deutschen Nationalstaates, die Gewährung politischer Grundrechte wie Meinungs- und Pressefreiheit, die Begrenzung der Fürstenherrschaft durch verstärkte politische Mitwirkungsmöglichkeiten des „Volkes“ (damit war der männliche, gebildete und/oder besitzende Teil der Bevölkerung gemeint), die Beschwörung eines solidarisch verbundenen Europas – hinter diesen Forderungen haben sich die meisten der über 20 Redner de Hambacher Festes versammelt.
Umstritten waren vor allem Art und Ausmaß der geforderten „Volksherrschaft“ sowie die Mittel und Wege, wie man die gesteckten Ziele erreichen wollte. Zugespitzt formuliert traten auf dem Hambacher Fest die Bruchlinien zwischen liberalen und (radikal-)demokratischen Zielvorstellungen zutage: Liberale strebten auf dem Wege von Reformen politische Verbesserungen innerhalb der konstitutionellen Monarchie an. Das demokratische Bekenntnis zur Volksherrschaft verlangte hingegen nach einem revolutionären Systemwechsel, der nach Meinung vereinzelter radikaler Demokraten notfalls auch gewaltsam herbeigeführt werden müsse.
Das Hambacher Fest war auch deshalb kein revolutionäres Fanal für gesellschaftliche und politische Veränderungen von nationaler Reichweite, weil dessen führende Köpfe mehrheitlich nicht der Meinung waren, über ein dafür notwendiges politisches Mandat zu verfügen.
Die Mehrzahl der bis zu 30.000 Besucherinnen und Besucher des Hambacher Festes stammte aus der Pfalz und der näheren Umgebung. So kamen etwa rund 500 Teilnehmende aus Dürkheim und über 200 Studenten aus Heidelberg. Doch auch aus weiter entfernten Teilen des Deutschen Bundes kamen Teilnehmer angereist: ob aus Kiel oder München, Leipzig oder Freiburg. Ihre Anwesenheit trug zum nationalen Charakter des Hambacher Festes bei.
Seinen europäischen Charakter verdankt das Hambacher Fest nicht nur den pro-europäischen Ausrufen einzelner Redner (Wirth: „Hoch! dreimal hoch das conförderierte republikanische Europa!“; Siebenpfeiffer: „Vaterland – Volkshoheit – Völkerbund hoch!“). Vor allem die Anwesenheit von Franzosen und Polen mitsamt ihren Flaggen, Grußadressen und Reden prägte das Bild des Hambacher Festes. Bei den Polen handelte es sich um Emigranten. Sie mussten aus ihrem Land fliehen, nachdem der russische Zar Nikolaus I. den Novemberaufstand des Jahres 1830 zur Erlangung der polnischen Unabhängigkeit hatte niederschlagen lassen. Auf ihrem Weg nach Frankreich wurden die polnischen Freiheitskämpfer mit großer Solidarität und Begeisterung empfangen – so auch auf dem Hambacher Fest.
Das Bemerkenswerte ist: Sie spielten eine Rolle! Schon in der von Philipp Jakob Siebenpfeiffer verfassten Einladung zum Hambacher Fest werden Frauen – für die damalige Zeit keineswegs selbstverständlich – ausdrücklich zur Teilnahme ermuntert. Es heißt darin:
Deutsche Frauen und Jungfrauen, deren politische Missachtung in der europäischen Ordnung ein Fehler und ein Flecken ist, schmücket und belebet die Versammlung durch eure Gegenwart!
Viele Frauen sind dieser Einladung gefolgt, wie man auch auf der berühmtesten bildlichen Darstellung des Hambacher Festes erkennen kann, einer Lithografie aus der Feder von Erhard Joseph Brenzinger. (https://rlp.museum-digital.de/object/6712) Für die meisten von ihnen dürfte es das erste Mal gewesen sein, an einer öffentlichen politischen Versammlung teilgenommen zu haben. Das Hambacher Fest markiert somit eine wichtige Etappe am Beginn des langen Weges zur politischen Mobilisierung der Frauen in Deutschland.
Gleichwohl wurden in Hambach auch die zeittypischen Grenzen der Gleichberechtigung deutlich. Unter den über 20 Festrednern war keine Frau. Und bei ihren Forderungen nach einer Gleichstellung der Frauen machten die Männer dort Halt, wo es um eine politische Gleichberechtigung der Frauen ging; „herrschen“ sollten sie nicht.
Eine wichtige Rolle spielten Frauen wiederum nach dem Hambacher Fest. Angesichts der systematischen Verfolgung und Inhaftierung der Organisatoren des Hambacher Festes gründeten sie Vereine zur „Unterstützung der Familien eingekerkerter und verbannter deutscher Patrioten“.
„Die Weinbauren müssen trauren!“ Unter einer schwarzen Fahne mit dieser Aufschrift zogen zahlreiche Winzer aus der Pfalz hinauf aufs Schloss. Der prominenteste von ihnen war Johannes Fitz, Weingutsbesitzer aus Dürkheim. Grund zur Trauer bereiteten den Winzern nicht allein die Missernten der frühen 1830er Jahre, von denen die gesamte Landwirtschaft der Pfalz stark betroffen war. Vor allem nachteilige Zollregelungen des ungeliebten bayerischen Mutterlandes brachte viele Winzer in Existenznöte. Um den „heimischen“, fränkischen Wein zu schützen, setzte die Regierung in München durch, dass beim Export von Wein aus der Pfalz ins rechtsrheinische Bayern Zölle gezahlt werden mussten. Im „Winzerlied“, das beim Hambacher Fest gesungen wurde, lautet daher ein Vers:
Wir wohnen in dem schönsten Land auf Erden,
Von Gottes Segen voll;
Doch müssen wir noch all zu Bettlern werden
Durch den verdammten Zoll!
Dass die Winzer auch für die Presse- und Meinungsfreiheit eintraten, verdeutlicht der letzte Vers des Liedes:
Die freie Presse, Brüder!, sie sollen leben,
Sie macht vom Zoll uns frei,
Denn wo man darf die Stimme frei erheben,
kommt alles noch in Reih!
Sie stammt vom Hambacher Fest! Schwarz-Rot-Gold waren zwar schon seit den Befreiungskriegen 1813-15 zu den Farben der deutschen Nationalbewegung geworden, weil die Uniformen eines populären preußischen Freiwilligenverbandes (Lützowsches Freikorps) eben jene Farben vereinte. Doch wurden diese Farben auf den Fahnen der Freiheits- und Einheitsbewegung ganz unterschiedlich angeordnet und gestaltet. Beim Hambacher Fest trug jedoch der Neustadter Kaufmann Johann Philipp Abresch eine ganz besondere Fahne hinauf zum Schloss und hisste sie für alle sichtbar auf dem Turm der Schlossruine. Mit ihren gleichgroßen Farbstreifen in Schwarz, Rot und Gold sollte sie zu der deutschen Urfahne werden. Auf dem mittleren, roten Streifen steht die Inschrift „Deutschlands Wiedergeburt“. Diese original erhaltene Fahne bildet heute das Herzstück der Dauerausstellung „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ im Hambacher Schloss. Bis zum heutigen Tag stehen die Farben Schwarz-Rot-Gold für ein freies, demokratisches und geeintes Deutschland.
Unter den deutschen Fürsten herrschte die Furcht, aus dem Hambacher Fest könne eine Art demokratischer Flächenbrand werden. Umso drastischer waren die unmittelbar anschließenden Unterdrückungsmaßnahmen. Der bayerische König entsandte ein Drittel seiner Armee in die Pfalz, um »Ruhe und Ordnung« wiederherzustellen. Neue Gesetze auf Bundes- und Landesebene sollten die liberale und demokratische Opposition zerschlagen. Die Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit wurde weiter eingeschränkt, Vereinigungen zu politischen Zwecken wurden ebenso verboten wie politische Reden bei öffentlichen Versammlungen. Auch das Tragen der Farben Schwarz-Rot-Gold war fortan untersagt.
Die Organisatoren und Redner des Hambacher Festes wurden angeklagt und verhaftet. In der Bevölkerung genossen sie dennoch große Popularität und Sympathie. Viele Liberale und Demokraten flohen nach dem Hambacher Fest ins Ausland – teils um einer drohenden Haftstrafe zu entgehen, teils aus Enttäuschung über die politischen Verhältnisse.